Das letzte Jahr sticht bunt und grell aus meinem restlichen Leben hervor. Ich brenne für etwas und entgegen der Schwerkraft und jedweder Erwartungen steige ich auf, ein Feuerwerkskörper, meine Perspektive verändert sich, alles nimmt an Fahrt auf, immer höher schwebe ich: Und dann die Explosion. Ich verbrenne, falle in mich zusammen, bin Trümmerteile, die ausgebrannt dem Boden entgegen rasen.
Mit unendlicher Kraft setze ich mich am Boden wieder zusammen, schaffe es irgendwie, durch Wunder, wieder aufzusteigen, höher, schneller - und erneut, der Fall, verbrannt. Das ganze nicht ein, zwei mal, sondern immer wieder, ich bin ein Silvesterabend, ein Feuerwerk. Angetrieben von der Hoffnung nach Veränderung und verändern zu können, davon, dass so vieles falsch läuft und anders laufen muss und dass es so viel wundervolles gibt, wofür sich das kämpfen lohnt. Sonst würde ich einfach liegen bleiben, verschossene Munition, die mit der Zeit zu Staub zerfällt.
Doch ich kann nicht ewig auf und ab steigen, das nagt an mir, ich schmelze und es wird immer schwerer mich wieder aufzurappeln.
Glaube ich an ein falsches Mantra? “Mich aufopfern zu müssen für die Sache.” Habe ich es zu lange unhinterfragt gelassen? Dass ein Held alles gibt?
So ganz wissenschaftlich objektiv: Ist das überhaupt nachhaltig?
Solche Feuerwerkskörper sind ja wegwerf Produkte. Zwar erleuchten sie den Himmel für einen Abend, aber am nächsten Morgen sind sie nur noch Müll und Feinstaub. Und ich, die Aktivistin hinter der Metapher, nütze auch niemanden etwas, wenn ich kaputt gehe, mein Feuer ausbrennt und ich mit wieder einem neuen Burnout im Bett hänge. Und nach dem fünften, sechsten Burnout nicht mehr zurück komme zum Plenum, hinschmeißen muss, um nicht auch noch das letzte bisschen von mir zu verlieren.
Diese Haltung ist Bullshit und toxisch und richtig gefährlich. Wir werden gebraucht, nicht unser Opfer. Wir werden gebraucht, als konstante, nachhaltige Ressource, die sich selbst regenerieren kann, auf die man zählen kann, nicht für eine Woche oder ein Jahr, sondern für Jahrzehnte. So verändert man nachhaltig die Welt. Nicht als Sprengkörper, sondern in dem man über Wochen und Monate und Jahre hinweg an etwas arbeitet. Und das geht nicht wenn man am ersten Tag gleich überarbeitet, mit zwei verstauchten Knöcheln, Muskelkater und Kopfschmerzen ans Bett gefesselt ist. Natürlich ist es verständlich, den Krisenmodus anzuschalten, denn der Klimawandel ist die größte Krise unserer Zeit und es ist nachvollziehbar so viel wie möglich auf einmal tun zu wollen, um diese Krise einzudämmen. Doch ist es sinnvoll? Ist es wirklich nachhaltig? Kann eine nachhaltige Welt auf dem Rücken weniger Märtyrer*innen aufgebaut werden, aus Wegwerfprodukten?
Es ist Zeit für ein neues Mantra. Für einen neuen Heldinnenmythos. Für einen Aktivismus, der nicht länger einem Sprint, sondern vielleicht mehr einem Fernwanderweg gleicht. Der Türen öffnet, für die, die nicht sprinten können. Der uns aufbaut, immer wieder unsere Ressourcen aufstockt. Wo es natürlich auch Etappenziele gibt, auch mal Aufstiege, die stressiger sind, die aber geschafft werden können durch Rücksichtnahme und Kommunikation und gemeinsames Regenerieren, wenn man oben angekommen ist.
Es sollte niemandes Ziel sein sich jung auszupowern und aufzuopfern, sondern alt zu werden als Aktivistin. Den Aktivismus, die Werte und Gedanken dahinter, weiterzugeben, in die nächste Generation. Vielleicht Familien zu gründen, sich ein Leben aufzubauen, das eine stabile Grundlage ist und das einen motiviert und glücklich macht und die Kraft schenkt weiter zu bauen und zu gestalten und zu verändern und zuzuhören und zu sprechen - Aktivistin zu sein.
Das ist jedenfalls mein neues Ziel. Und wie alles neue und unbekannte muss ich mich darin erst probieren, lernen, meinen Weg finden. Und ja - da ist Angst meinen Kurs zu ändern. Doch das hält mich nicht ab.
Denn ich will Teil sein von der Klimabewegung. Und Teil sein von noch so vielen Bewegungen, die kommen werden. Ich will geben, nicht nur einmal, sondern wie ein Obstbaum, jedes Jahr, verlässlich. Und vielleicht auf diesem Wege auch glücklich sein, ja, vielleicht gibt es auch für eine Aktivistin Glück, Tage, an denen ich Sonne tanke, Wärme, die ich dann irgendwann teilen kann, wenn es dunkler wird.
Oder es geht mir einfach nur darum euch beim Plenum 2080 im Pflegeheim mit meinen verrückten Aktions-Ideen immer noch auf die Nerven zu gehen. Die Krisen werden uns bis dahin höchst wahrscheinlich nicht ausgehen.
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