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Grüner Kolonialismus: Wieso es falsch ist die halbe Welt in einen Nationalpark umwandeln zu wollen

Die grünen Lungen unserer Erde, wie der Regenwald, und damit die Mittel die wir haben, um dem globalen Temperaturanstieg entgegen zu wirken und CO2 in Biomasse zu binden, sind stark bedroht.

Jeden Tag wird im Amazonas Regenwald eine Fläche von 4340 Fußballfeldern abgeholzt, für billiges Holz und um auf dem Boden große Monokulturen mit Soja oder Palmöl anzulegen.

Aber auch in Deutschland werden am Tag 56 ha versiegelt für neue Straßen, Wohnsiedlungen etc.


Als Kilmaaktivistin und auch als Umweltaktivistin sage ich: Das muss aufhören. Wir müssen wieder entsiegeln und begrünen und vor allem vorhandene Waldflächen schützen.

Wenn man solche und ähnliche Überzeugungen hat, stößt man schnell auf die Forderungen wie “die halbe Welt zu einem Nationalpark oder Naturschutzgebiet machen”. NGOs wie der WWF kaufen bereits seit Jahrzehnten mit Spendengeldern große Flächen auf, um dort Erholungs- und Rückzugsort für bedrohte Tierarten und für das Klima zu schaffen.

In meinen Ohren klang das lange Zeit sehr positiv und erstrebenswert.


Bis ich durch ein Praktikum bei einer Organisation, die sich für die Rechte Indigener Völker auf UN Ebene einsetzt, einen Repräsentanten (Ahimbisibwe) einer Gruppe Batwa (oder auch Twa genannt) aus Uganda kennenlernte. Die Batwa sind die zweitälteste Kultur der Welt und leben schon seit zehntausenden von Jahren in den Wäldern Zentral- und Ostafrikas als Jäger*innen und Sammler*innen. In den 90er Jahren jedoch hatte das ein jähes Ende für Ahimbisibwe und 6000 weitere Batwa, die im Bwindi Wald in Uganda in kleinen Gruppen lebten.

Denn hier wurde unter anderem auch mit Spendengeldern vom WWF ein Nationalpark errichtet für die bedrohten Berggorillas.

Die Indigenen, die seit jeher in Koexistenz mit den Gorillas gelebt hatten, wurden vertrieben, ohne jegliche Form des Ausgleichs für den Verlust ihres Landes (auf das sie nach der UNDRIP die vollen Rechte hätten). Mit dem Verlust ihres Landes verloren die Batwa auch die Möglichkeit ihre kulturellen Praktiken ausführen zu können. Jagen, Sammeln, das Suchen von Pflanzen für Medizin, sogar die Religion der Batwa kann nur in enger Bindung an ihr Land geschehen. Ohne diese Möglichkeit selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, wurden die Batwa heimatlos. Etwa 50% der Batwa Frauen werden regelmäßig Opfer von sexuellem Missbrauch und auch vor Gewalt können sich die Batwa ohne ihren Wald wenig schützen. Für Angehörige anderer Völker Ugandas sind die Batwa oft nicht einmal Menschen. So werden sie sogar auf der offiziellen Seite des Bwindi Impenetrable National Parks als Great Apes (Menschenaffen) gelistet.

Während des Corona Lockdowns sind die Batwa zudem von einer akuten Hungersnot betroffen. Betteln und Zugang zu Müll wird ihnen aus angeblichen Infektionsschutzgründen verwehrt. Sie gehören zu den ärmsten Menschen der Welt.


Und das alles geschieht nicht nur aufgrund von Rassismus gegen Batwa innerhalb Ugandas. Das geschieht weil NGOs wie der WWF aus dem globalen Norden viel Geld in diese Nationalparks investieren und das Narrativ des Indigenen Wilderers verbreiten. Es geschieht, weil der Tourismus rund um die Gorillas boomt. Einmal einen echten Gorilla sehen - ein Traum vieler Touris aus dem globalen Norden. Auch Forschungsinstitute wie das Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie finanzieren viel in Forschung im Bwindi Nationalpark. Der Park ist als lukrativ - die Anwesenheit der Indigenen dort nicht.


Ich möchte auch, dass Berggorillas, Schimpansen und viele weitere bedrohte Tier- und Pflanzenarten geschützt werden können. Ich möchte eine Zukunft, in der wir auf diesem Planeten wieder in einem stabilen System leben können. Naturschutz und Artenschutz sind dafür essentiell.

Der Schutz und die Achtung der Rechte Indigener Menschen steht damit nicht im Widerspruch - im Gegenteil. Denn Indigene Menschen haben ein Wissen, das wir schon lange verloren haben. Wie man mit und in und von der Natur lebt, ohne sie zu zerstören. Sie sind keine “bösen Wilderer” sondern Wahrer*innen der Biodiversität. Und wir können und müssen so viel von ihnen lernen. Doch stattdessen geben wir uns mit einfachen Narrativen zufrieden. Jagen = wildern = böse. Anstatt auf die wahren Gründe für das Aussterben der Berggorillas und vieler weiteren Arten zu schauen: Zum Beispiel den Verlust von Waldflächen an Landwirtschaft und Siedlungen. Durch diese Ignoranz gefährden und zerstören wir das wertvolle traditionelle Wissen und die Kulturen nicht nur der Batwa, sondern der meisten Indigenen Menschen weltweit. Denn dies ist ein strukturelles Problem.


Umwelt- und Artenschutzprojekte können nur zusammen mit der Indigenen Bevölkerung der jeweiligen Gebiete geschehen. Und die Indigenen Menschen müssen selber eine freie und informierte Entscheidung treffen über das, was mit ihren Ländern geschieht. Wir können nicht mehr wegsehen. Denn dann sind die Kulturen Indigener Menschen bald vollkommen durch unser Handeln ausgelöscht. Wir müssen hinsehen, zuhören, unser eigenes Handeln hinterfragen. Und auch bei etablierten NGOs wie dem WWF kritisch bleiben.

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