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Reaktion auf das Wahlergebnis

Die 3,15 Prozent gestern haben mich überwältigt. Die Vorstellung etwa 1000 Menschen hinter mir - einer 20jährigen autistischen Klimaaktivistin - und dem konsequenten Klimaschutz, wie ihn die Klimaliste und ich vertreten, vereint zu haben, macht mich sprachlos und unglaublich stolz.


Mein Wahlsieg sind jedoch nicht die Stimmen, die am Ende an mich gegangen sind. Mein Wahlsieg sind die voraussichtlich 5 bis 6%, die die Klimaliste für das Stadtparlament bekommen hat. Ist das Erstarken der Grünen. Und soll vor allem konsequenter Klimaschutz und Klimaneutralität sein, die in den nächsten 5 Jahren in Marburg hoffentlich umgesetzt werden. Denn darum geht es - nicht um mich.


Und trotzdem ein paar persönliche Worte dazu, was dieses Wahlergebnis und der Weg dorthin für mich bedeuten:


Wenn ich zurück schaue auf mein Leben bis zu diesem Punkt, dann betrachte ich eine Reise. Da waren das Mobbing, das ständige ausgestoßen sein, "anders" sein, das meine Kindheit und Jugend so sehr geprägt hat. Die Ohnmacht scheinbar keine Stimme zu haben in dieser Gesellschaft, zusehen zu müssen. Und dann kommt die Kehrtwende, Greta, die Fridays, die IPU und MarburgZero, erst schleichend, dann mit dem Tosen von tausend Winden haben sie mich in ihre Mitte geholt, mich zu einer von ihnen gemacht.

Dazu zu gehören, wohin zu gehören und gleichzeitig ich selbst sein zu können war immer unvorstellbar für mich. Ich habe zwar Verbindungen gespürt, aber mehr zu Dingen in Büchern oder in meiner Fantasie, als zur Realität. Als Autist*in hat man oft das Gefühl einfach in der falschen Welt geboren zu sein und man wünscht sich fort an diesen Ort, wo man verstanden ist, dazu gehört.


Deshalb bedeutet es für mich unglaublich viel sagen zu können: Ich gehöre hierher. Nach Marburg. In diese Welt. Ich bin angekommen, aufgenommen, ein Teil von ihr. Das habe ich auf dieser Reise gelernt. Und noch so viel mehr. Wenn ich jetzt nach vorne schaue, dann ist dies erst der Anfang der Reise. Und ich bin aufgeregt, was ich alles noch lernen darf, wem ich begegnen darf.

Es ist ein Privileg Aktivistin sein zu können. Ein Privileg in einem Land zu leben, wo ich für friedlichen Aktivismus wahrscheinlich keine strafrechtliche Verfolgung befürchten muss, ein Privileg die Zeit und die Bildungs- und finanziellen Ressourcen zu haben mich engagieren zu können. Ich möchte mir dessen bewusst sein auf meinem weiteren Weg. Darauf aufmerksam machen, dass Klimaaktivismus nicht weiß ist, im Gegenteil, aber weiße Aktivist*innen leider die lautesten Stimmen in den Medien haben. Da gibt es vieles in unserer Gesellschaft und auch innerhalb des Klimaaktivismus, das adressiert und vor allem angegangen werden muss. Und ich bin unendlich dankbar dafür endlich gehört zu werden, Aktivistin sein zu können und hoffe dieses Privileg dazu nutzen zu können aufmerksam zu machen, auf die Missstände in dieser Welt und vor allem einen Resonanzraum zu bieten - nicht für sie sprechen, sondern sie sprechen zu lassen und zuhören - für Menschen, die nicht dieselben Privilegien wie ich haben, denn nur sie können wirklich begreifen, was gerade falsch läuft in unserer Welt.


Und mit diesen Worten Danke. Für 3%, für das Vertrauen in die Klimaliste. Danke, dass mir zugehört wurde, ich lernen durfte, ich eine Stimme finden konnte. Danke, dass ich endlich dazugehöre und ein Zuhause gefunden habe. In Marburg.

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