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Warum ich schreibe

„Es gibt nur eine Handlung, die riskanter ist, als sich vor einem anderen Menschen zu entblößen. (…) Sich vor anderen zu schützen.“ - Peter Høeg


Ich mag die Stille, blühe in ihr auf - ja, nur dank ihrer Hilfe schaffe ich Musik. Nicht um sie zu vertreiben, sondern um mit ihr zu tanzen, wenn ich mich traue.

Doch die Stille unserer Welt ist keine echte Stille. Wir wählen das Schweigen aus Angst. Und weil wir Worte verlernt haben, die bedeutungsvoll sind.


Und ich kenne diese Angst. Vor dem nackt sein, vor dem gesehen werden. Die Angst vor Verletzung, die Angst vor dem ausgestoßen werden, zurückgewiesen werden. Es ist passiert, unzählige Male. Dir, mir.

Und von der Kindheit, in der wir offen sind, werden wir über diese Erlebnisse zu Verschlossenen, gehen wir auf in der Anonymität des Anthropozän. Es ist einfacher zu schweigen. Unser Schweigen zu übertönen mit dem Pling der Nachrichten auf unserem Handy, mit Partys und Konsum. Wir betäuben es, bis wir vergessen, dass es da ist. Ein riesiges Loch in unserer Mitte.

Auch vor uns selbst schweigen wir. Halten wir niemals inne, um uns selbst zu betrachten, außer in der Mode unserer Zeit, umgeben von Besitz, der „für uns selbst sprechen“ soll. Wir sind Kinderpsychen, emotionale Analphabet*innen, Embryonen, deren Nabelschnur verkümmert ist, doch unsere Körper wachsen, genau wie unsere Welt, deren Geschicke wir jetzt lenken.


Doch es gibt noch eine zweite Geschichte, neben der Angst vor dem sozialen Tod. Hinter der Befürchtung verletzt zu werden, zu Leiden.

Die Geschichte des Verlangens, das uns Menschen wohl, mehr als alles andere, vereint.

Geliebt zu werden. Gesehen. Verstanden. Berührt, geküsst, auch wenn wir nackt und unvollkommen voreinander stehen. Wir sehnen uns nach dem Austausch, von Wahrhaftigkeiten, nach Echtheit, nach einem Fenster in den anderen, durch das wir uns gegenseitig betrachten können.

Vielleicht bin nur ich es, für die das „Leben“ bedeutet. Teilen. Oder vielleicht sind wir es alle, die hinter schrecklichen und schönen Taten, Verbindungen suchen, die hinter all den Dingen liegen, eine Kunst, die nicht künstlich ist, sondern runtergebrochen auf die Wahrheit ohne Worte in unseren Herzen, die weder pompös, noch modisch und elegant ist, aber echt.


Die Angst siegt, für die meisten. Sie ist nicht länger nur die Angst vor dem Tod, vor der Verletzung, sondern die Angst vor dem Leben, vor der Berührung. Wir halten uns an das, was wir kennen. Und die wenigsten von uns kennen noch ihren nackten Körper.

Auch ich befinde mich in konstanten Ringen mit dieser Angst, sie wird immer da sein, befürchte ich. Doch ich will nicht länger durch sie Entscheidungen treffen. Schweigen, weil ich Angst habe gehört zu werden. Angst davor, dass meine Worte genutzt werden um mich abzuwerten, zu canceln, mich politisch und sozial zu brandmarken, mich als Freundin abzulehnen.

Ich kann nicht länger schweigen. Denn meine Worte, mein Schreiben, ist die einzige behelfsmäßige Brücke zu den anderen, die mir gegeben ist. Ohne sie werde ich dem Wir nie näher kommen, die Einsamkeit nie kleiner werden lassen.

Und ich werde sie nicht aus Angst vor der Einsamkeit abbrechen. Denn das ist paradox, das ist die verwirrte, zurückgewiesene Kinderpsyche in mir, die spricht.


Ja, die Angst ist begründet. Aber sie ist nicht alleine in uns. Was ist mit der Freude? Der Neugierde? Der Liebe? Der Wut? Der Trauer, der Sehnsucht? Wieso darf nur die Angst sprechen und unsere Schritte leiten?


Bitte hört auf mir zu erklären, wieso ich schweigen muss. Wieso man sich in unserer Gesellschaft halt versteckt. Wie die Dinge bei uns funktionieren.

Denn sie funktionieren nicht. Es ist nicht so, als sei ich zu dumm, oder „zu autistisch“, um sie zu verstehen. Sie ergeben nur einfach keinen Sinn. Und ich habe mich entschlossen es anders zu machen. Die gesellschaftliche Konvention zu brechen und den Versuch zu unternehmen zu schreiben.

Und damit bin ich nicht alleine, sondern gemeinsam, im Schreiben.


Deshalb schreibt mir, wenn ihr das lest. Alt bekannt, oder fremd. Lasst uns dem Schweigen einen Mittelfinger zeigen. Der Angst entgegen treten. Und leben.

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